Status Quo: Die glückliche Enttäuschung

Hier geht es um Innovation, es geht um spannende Potenziale und es geht um bessere, produktive Zusammenarbeit. Und es geht hier darum, etwas zu wagen. Etwas, das vielleicht anstrengend ist, vielleicht sogar mit ungewissem Ausgang. Und doch glauben wir, lohnt es sich. Wenn wir nämlich an Workshops oder Events denken, die wir alle schon des öfteren erlebt haben, was für ein Gefühl bleibt meistens? Zunächst, beim oder kurz nach dem Moment sind wir – im besten Fall – inspiriert, haben einige gute Impulse mitgenommen und auch neue oder bekannte spannende Menschen getroffen.

Dann, eine Woche später: Wir sind zurück im Alltag, von der Inspiration, dem Neuen, ist kaum etwas übrig. Leider. Und das liegt nun mal oft nicht an den Angeboten, oder an unserem Willen, mit dem Neuen zu arbeiten, sondern es fehlt schlicht die Verbindlichkeit, das Konkrete, das Zwingende, das für uns Individuelle, das direkt seinen Platz in unserem Alltag findet. Und noch etwas: Oft genug finden wir erst beim Termin heraus, dass das Angebot doch einigermaßen voraussetzungsreich ist und wir mehr rausholen hätten können, wenn schon eine gewisse Vorkenntnis da wäre, die uns eine reflektierte und informierte Haltung erlaubt hätte… Ja, genau: hätte hätte Fahrradkette.

Was das Neue mit sich bringt

Es war die Rede von irgendwas mit produktiv und anstrengend, wenn es um das Neue geht. Wir wissen alle nicht so recht, wo es lang geht. Es gibt also nicht den einen, der uns die Wahrheit des Neuen von der Kanzel runter rufen kann. Sondern wir müssen verschiedene Sichtweisen austauschen, uns in einer Vielleicht-Haltung begegnen, und das in wenig Zeit, denn die hat ja keiner.

Um dieses Dilemma zu lösen, braucht es mehr Anstrengung – in der Vorbereitung, während der Begegnung, nach der Begegnung, von allen Beteiligten. Aber Hand auf’s Herz: Wenn wir schon Zeit investieren, dann doch gern mit einem Ergebnis, dass die Investition legitimiert. Mehr Anstrengung könnte sich also lohnen – an diesen Stellen:

Anstrengung Nutzen
Welche Themen genau brauchen Austausch?

Nicht jedes Thema eignet sich zu jedem Zeitpunkt, um es zu öffnen. Es gilt herauszufinden, welches Thema geeignet ist und an welchen Facetten gegebenenfalls neue Erkenntnisse aus einer Begegnung auch die Chance haben, in den Status Quo einzufließen.

Ein Thema kann extrem durch einen Austausch mit einer diversen Community profitieren, wenn klar definiert und kommuniziert ist, an welchen Stellen der Bedarf an neuen Sichtweisen gegeben ist.
Notwendiges Vorwissen

Bereits vor der Begegnung muss das nötige Vorwissen zur Verfügung stehen einerseits, und konsumiert werden andererseits. Der Termin beginnt also vor dem Termin.

Während der gemeinsamen Zeit erreichen alle Beteiligten deutlich schneller die nötige gemeinsame Flughöhe, um produktiv zu werden und um an Facetten zu arbeiten, die es braucht, um das Neue zu greifen.
Die kollaborative Agenda

Das Prinzip von Angebot und Nachfrage hat auch hier seine Daseinsberechtigung. Die Beteiligten müssen sich Gedanken machen, was genau im angebotenen Themenkosmos für sie relevant ist. Dazu eignen sich Umfrage-Tools ebenso wie ein per Link zugängliches Online-Dokument.

Wer mitentscheiden kann, wird mit mehr Elan bei der Sache sein. Selbst wenn nicht alle eingegeben Themen in einer vorgegebenen Zeit behandelt werden können, so bieten doch auch die nicht behandelten Themen oder Fragen eine wertvolle Indikation zur Vertiefung.
Themen abbinden

Das Neue wird nicht allein vom Dialog lebendig. Die allermeisten Themen benötigen weitere Vertiefung nach der Begegnung und Dialoge bringen nicht nur Erkenntnis, sondern neue Bedürfnisse hervor. Dazu braucht es verbindliche Vereinbarungen, wie, mit wem und wann das geschehen kann. Das fordert Zeit und diese muss bei der Begegnung einkalkuliert werden. Im besten Fall gibt es bereits bei der Planung der Begegnung einen klar formulierten Rahmen dazu.

Die Chance einer intensiveren Kollaboration wächst immens, wenn man dem Zustandekommen die Zeit widmet, die es braucht. Die Verbindlichkeit wird gestärkt, wenn sich Beteiligte auf einen gemeinsamen Modus einigen können, wie die nächsten Schritte aussehen können.
Push an Pull

Gerade bei flüchtigen Begegnungen ist nicht zu erwarten, dass die Motivation ausreicht, um eigenständig „am Ball“ zu bleiben. Der Alltag wird ohne große Mühe die Oberhand gewinnen. Es braucht einen Kampangenplan, um das behandelte Thema oben auf der Agenda zu halten oder zu etablieren. Die dafür geeigneten Angebote und Formate müssen bereits vor der jeweiligen Begegnung feststehen, um sie in einem nahen Zeitfenster iterativ anbieten zu können. Dabei darf es sich nicht nur um reine Information handeln, sondern es müssen auch aktive Elemente dabei sein, um die Partizipation weiter aufrecht zu halten.

Nicht jeder Aspekt des Neuen braucht die Begegnung oder permanent neue Impulse, im Gegenteil. Genauso wichtig ist das moderierte „Sacken lassen“. Alles, was das Nachklingen vertiefen und verlängern kann, dient dem Verstehen, und hilft, die Relevanz des Erlebten zu ordnen.
Im Loop bleiben

Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. So ist es auch hier. Um den Impact einer Begegnung zu identifizieren und aus dem Nachklingen einen neuen Dialog entstehen zu lassen oder den existierenden zu verdichten, braucht es das Angebot für eine neuerliche Begegnung. Im besten Fall mit den gleichen Prämissen und Elementen.

Eine gelungene Kollaboration setzt nicht nur die inhaltliche Kompatibilität voraus, sondern stützt sich auch auf soziale Aspekte und auf gegenseitiges Vertrauen. Das Neue birgt in sich ohnehin genug Unsicherheit – ein vertrautes und verbindliches Umfeld kann das nicht kompensieren, aber macht es deutlich leichter. Mit jeder Iteration wächst die Kompetenz der Beteiligten für das Thema, ebenso wie die Verbindlichkeit, am Thema zu arbeiten.

Alles nur Theorie?

Wer hat schon Lust, sich das anzutun? Zu wenige, das kann man wohl auch ohne empirische Erhebung behaupten. Aber wir haben Gleichgesinnte gefunden, die das so sehen wie wir. Und wir wollen für Schleswig-Holstein aus der Theorie die Praxis machen, denn das Neue braucht mehr als gute Ideen und smarte Unternehmer*innen. Das Neue braucht mehr Kooperation, mehr produktive Rahmenbedingungen und mehr Verbindlichkeit, um nachhaltig zu wachsen.

Die Nordzentren wollen zukunftsrelevante Themen gemeinsam mit Partnern adressieren und gemeinsam Lösungen für eine Umsetzung in Schleswig-Holstein erarbeiten. Ein Beispiel ist das Zukunftsprojekt UAM-InnoRegion, welches mit über 70 Partnern neue Lösungen im Bereich der unbemannten Luftfahrt (Unmanned Air Mobility) entwickelt. Ein anderes Beispiel ist der Hanse Innovation Campus in Lübeck, der sich mit seinen lokalen Partnern dem gezielten Technologietransfer für ausgewählte Themen zum Ziel gesetzt hat. Seid gespannt oder schreibt uns, wenn Ihr ein spannendes Projekt vorstellen wollt.

Und: für die Zwischenzeit empfehlen wir die InnoSH-Folge mit Prof. Dr. Christian Scheiner zum Thema Sensemaking, denn natürlich gibt es weit mehr Entwicklungspotenzial für Innovation als „nur“ die ambitionierte Konfiguration von Events und Workshops 😉